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 KÖPFE DER GEGENWART
 Berg mit guter 
    Aussicht
 
 
    
    TEXT:  
    
     BJÖRN BRÜCKERHOFF BILD:  
    SIBYLLE BERG
 
 
 Sibylle Berg, "der gewalttätigste
    Lidstrich Deutschlands" (Spiegel), lässt der Welt keine Chance. In ihren Texten
    kratzt die Autorin und Journalistin den Idyllen unseres Daseins Schicht für Schicht den
    Lack ab, bis Sinnlosigkeit und Hass zum Vorschein kommen. Und das sehr konsequent. Dadurch
    entlarvt Frau Berg jene, die so tun, als seien sie sehr glücklich.
 
 Ihre gefürchteten Halbsätze, mit denen die erfolgreiche Vertreterin deutscher
    Gegenwartsliteratur ganze Bücher füllt, durchleuchten in naiver Sprache ohne
    emotionale Schnörkel die Geschichten der Gegenwart, "wie aus dem Prallen leben
    gegriffen - aus einem freilich, in dem das Glück nicht auf der Straße liegt", so
    die Einleitung ihres Erstlingswerks "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich
    tot". Was Frau Berg mit ihren Texten zu Tage fördert, lässt sich leicht
    zusammenfassen: "Alles scheiße, überall Schweine, die Welt ist schlecht, und die
    Zeit ist am schlimmsten", so die Autorin.
 
 Frau Berg schreibt todtraurige Geschichten von heute - und einige davon sind auch
    zum Brüllen komisch. Der ständige Wechsel zwischen beißender Ironie und tödlicher
    Ernsthaftigkeit lässt den Leser nie ganz sicher sein: lachen oder weinen? "In erster
    Linie soll man nicht alles so ernst nehmen", fordert Frau Berg insbesondere von den
    Lesern ihrer Zeit-Kolumne. Sie amüsiere sich doch auch noch oft beim Schreiben. Das ist
    besonders in ihrem Erstlingswerk zu spüren. Dort fallen die handelnden Personen in bester
    Berg-Manier in den letzten Kapiteln nacheinander ihrem eigenen Leben zum Opfer - und
    hinterlassen genau das, was sie ausgemacht hat: nichts. Frau Berg ist gründlich. Bevor
    die Charaktere literarisch ableben, sind sie längst innerlich tot - aufgefressen von
    ihrer lebenslangen (und daher meist kurzen) Suche nach dem eigenen Glück. Nicht gerade
    Literatur für Depressive.
 
 Im wahren Leben hat Sibylle Berg keinen Grund, ein Kind von Traurigkeit zu sein.
    Die vielbeschäftigte Autorin, geboren "vor wenigen Jahren in Weimar", (genauer:
    im Juni 1962) und seit einiger Zeit in Zürich lebend, schreibt für Stern, Allegra,
    Zeit-Magazin. Sie ist Verfasserin mehrerer Bücher ("Ein paar Leute suchen das Glück
    uns lachen sich tot", "Sex II", "Gold", "Das Unerfreuliche
    zuerst - Herrengeschichten"). Neuerdings versucht sich "Frau Berg" auch als
    Dramaturgin ("Hund, Frau, Mann", "Herr Mautz, "Helges Leben") und
    hat gute Aussichten, genau das zu werden, was sie wohl schon immer sein wollte: Kult.
    Sogar ihre Fans organisierten sich kürzlich, wie es in Deutschland wohl sein muss, im
    eigenen Berg-Fanclub. Der wöchentliche Berg-Newsletter versorgt die treue Gemeinde mit
    neuen Geschichten aus der Berg-Welt.
 
 Anfang November e-mailte Frau Berg mit Björn Brückerhoff und antwortete in Sätzen
    so kurz wie in ihren Büchern. Aber: auf ihrer skurrilen Homepage findet sich eine
    Sammlung der häufigsten Antworten - zum abschreiben: "Ja, sie wollte schon immer
    Bücher schreiben. Das erste begann sie mit sieben. Ja, sie ist sehr gerne vor fünf
    Jahren in die Schweiz gezogen. Nein die Sprache findet sie nicht komisch, die Menschen
    nicht spießig. Nein, Frau Berg hat keine Depressionen. Nein, es fand kein
    Selbstmordversuch statt (und was sind das für lange Schnitte an ihrem Arm? Och, das war
    ein Fahrradunfall). Ja, sie hat schon einige Journalisten zusammengeschlagen. Nein, sie
    findet es nicht komisch, seit einiger Zeit auch Theaterstücke zu schreiben. Nein, Frau
    Berg hat keine Esstörungen (Moment, ich muss gerade mal auf die Toilette). Ja, sie findet
    die Welt wirklich ein wenig traurig. Nein, Frau Berg versteht Optimisten nicht. Nein, Frau
    Berg inszeniert sich nicht (würden sie mir mal rasch die Boa Constrictor reichen). Ja,
    Ihnen auch, vielen Dank für das Gespräch."
 
 Brückerhoff: Frau Berg, wie geht es Ihnen?
 
 Sibylle Berg: Wunderbar, ich tanze, lache und singe (singt Frau Berg und wirft
    zwischendrin einige Tabletten ein).
 
 Brückerhoff: Wussten Sie, dass Ihre Bücher im 
    Schulunterrricht an deutschen Gymnasium gelesen werden?
 
 Sibylle Berg: Bedenklich. Versaut das nicht die Lesefreude beim jungen
    Menschen an sich?
 
 Brückerhoff: Hätten Sie so etwas früher auch gerne im Unterricht gelesen?
 
 Sibylle Berg: Ich habe schon immer gerne alleine im Bett gelesen. Im Unterricht
    war mir das zu intim.
 
 Brückerhoff: Woher kommt die Geschichte mit der Tierpräparatorin, die Sie gerne als
    Job vor Ihrer Autorentätigkeit angeben?
 
 Sibylle Berg: Siehe erste Frage.
 
 Brückerhoff: Mögen Sie ausgestopfte Tiere lieber als lebende Tiere?
 
 Sibylle Berg: Nein, ausgestopfte Tiere muss man abstauben. Lebende Tiere
    laufen herum, reißen aus und tun keinem was (außer Kakerlaken, die gehen in
    Menschenöffnungen).
 
 Brückerhoff: Was wollen Sie einmal in einem Interview gefragt werden?
 
 Sibylle Berg: Soll ich Ihnen Geld schenken?
 
 Brückerhoff: Und was antworten Sie dann?
 
 Sibylle Berg: Gerne.
 
 Brückerhoff: Wie groß ist Ihr Haus in Tessin geworden, das Sie mit dem ersten Geld
    aus Ihren Buchverkäufen von "Ein paar Leute suchen das Glück..." bauen
    wollten?
 
 Sibylle Berg: Es hat zu einer Tür gelangt, die steht da jetzt herum.
 
 Brückerhoff: Wissen Sie bereits bevor Sie mit einem Buch beginnen, wie die Geschichte
    verlaufen soll?
 
 Sibylle Berg: Jawoll.
 
 Brückerhoff: Warum haben Sie mit dem Schreiben begonnen?
 
 Sibyle Berg: Ach, wenn man das wüsste. Warum beginnen manche Menschen zu
    rennen, zu tennisen, Drogen zu nehmen?
 
 Brückerhoff: Wie hieß Ihre erste Geschichte, die Sie mit sieben Jahren geschrieben
    haben - und worum ging es darin?
 
 Sibylle Berg: Hieß noch nicht. War ein Krimi.
 
 Brückerhoff: Was lesen Sie selbst am liebsten?
 
 Sibylle Berg: Haruki 
    Murakami, Bret Easton Ellis, Michel Houllebeqc.
 
 Brückerhoff: Sind Sie oft im Internet?
 
 Sibylle Berg: Täglich einige Male.
 
 Brückerhoff: Welche Seite besuchen Sie dort am liebsten?
 
 Sibylle Berg: Meine eigene, muss ja beaufsichtigt werden.
 
 Brückerhoff: Hat das Internet Einfluß auf Ihr Schreiben?
 
 Sibylle Berg: Nein.
 
 Brückerhoff: Wie sieht das Internet in 20 Jahren aus - Ihrer Meinung nach?
 
 Sibylle Berg: Mit anfassen und riechen.
 
 Brückerhoff: Was würden Sie gerne mal im Internet lesen?
 
 Sibylle Berg: Und der Nobelpreis geht an: Frau Berg.
 
 Brückerhoff: Haben Sie schon neue Bücher und Theaterstücke in Planung?
 
 Sibylle Berg: Neues Buch. Fang grad an.
 
 Brückerhoff: Gibt es auch mal wieder eine CD von Ihnen? Was könnte da für Musik
    drauf sein?
 
 Sibylle Berg: Wie immer die alten Freunde: Phillip Boa, Rammstein, Sisters of
    Mercy, Ministry, Chat Baker und Leonhard Cohen. Prima Mischung.
  
    
    
      
      
 
 
 
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