POSCHMANN UND ANTWERPES IM INTERVIEW-DOPPEL
Öffentlich-rechtliche Athleten


INTERVIEWS
: STEPHAN LENHARDT


Marathon-Einsatz für die Sport-Chefs Michael Antwerpes und Wolf-Dieter Poschmann. In ARD und ZDF kommentieren sie die Olympischen Spiele in Athen. Die Gegenwart sprach mit beiden und stellte Ihnen dieselben Fragen. Ein Interview-Doppel.

AUSGABE 39
"UND JETZT
DER SPORT"




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EDITORIAL VON BJÖRN BRÜCKERHOFF
ÖFFENTLICH-RECHTLICHE ATHLETEN
FUSSBALL IST NICHT NUR FÜR BLÖDIANE
SCHUTZ DER OLYMPISCHEN RINGE
FÜNF FRAGEN/ZEHN ANTWORTEN
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HELMUT HALLER: EIN LEBEN AM BALL
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Herr Poschmann, blicken wir zurück zur Europameisterschaft 2004: „Bilder wie wir sie so noch nicht gesehen haben“, so oder ähnlich kommentierte Ursula Hoffmann die Bilder, die während der EM aus dem Wohnzimmer der Familie Ricardo ausgestrahlt wurden. Bisher kannte man solche Bilder eher von RTL II aus dem Big Brother Container.  Dies war eine eher untypische Art der öffentlich-rechtlichen Bericht-erstattung. Wie stehen sie dem gegenüber?

Poschmann: Grundsätzlich äußere ich mich nicht zu Personen anderer Sender. Wir haben ja genug Probleme mit unseren eigenen Hervor-bringungen. Die Berichterstattung während der EM hat aber gezeigt, dass dies nicht unsere Herangehensweise ist. Wir klettern eben nicht bei Familien in Wohnzimmer, um da zu versuchen „mittendrin statt nur dabei“ (lacht) zu sein. Gleichwohl ist das Interesse vorhanden, mehr über das Umfeld und die Familie der Hauptakteure zu erfahren. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten des Zugriffs. Ich muss dann überlegen: was bringt mir am meisten, was lässt die Privatsphäre vergleichsweise unangetastet. Ich muss nicht, das ist der Ansatz unserer Redaktion, in Wohnzimmer eindringen. Man kann mit der Familie ja genug außerhalb einer Privatsphäre erleben. Es gibt schon eine generelle Tendenz in der Berichterstattung, einfach mehr zu erfahren. Das heißt, Sportlern und ihren Familien näher zu kommen. Da ist die Gefahr des boulevardesken sehr groß. Man ist gut beraten, gewisse Trennungslinien nicht zu überschreiten.

Auch die Kommentatoren
Beck-mann und Kerner standen während der EM in der Kritik. Überspitzt gesagt wurde Ihnen vorgeworfen, mehr für die Medienseite der Süddeutschen Zeitung zu kommentieren, als für den Zuseher. Bela Rhéty hingegen wurde für seine Leistungen gelobt. Wie viel Entertainment und Hintergrund-berichterstattung braucht denn ein Fußballkommentar?

Poschmann: Hier muss man differenzieren. Erstmal gab es eine Auswertung sowohl des Forsa-Instituts als auch eine Emnid-Umfrage. Nach diesen repräsentativen Umfragen war Johannes B. Kerner der Bestbewerteste – das ist erst mal ein Fakt. Und wenn man seine Leistung beim Spiel Portugal gegen England sieht, so muss man sagen: das war einfach ein Highlight. Wir überlegen, ob wir diesen Kommentar nicht sogar zum Fernsehpreis einreichen werden. Generell kann man sagen, dass alle Fußball sehen wollen und es etliche Bundestrainer gibt und wir – so gesehen – eigentlich keine Reporter bräuchten. Die Vorlieben sind da natürlich sehr unterschiedlich. Der eine mag den begleitenden Kommentar mit Hintergrundinformationen, der andere mag den emotionalen Typ und wieder andere wollen den Unkonventionellen oder Unge-wöhnlichen. Die Presseresonanz spiegelt hingegen auch klare Interessenslagen wieder. Seien es persönliche Verbindungen oder auch kommerzielle Aktionen. Es gibt ja häufiger Zusammenarbeiten zwischen Sendeanstalten und Verlags-häusern, so dass man für bestimmte Zeitungen schon vorbelastet ist. Viele Zeitungen schreiben auch nur voneinander ab. Der Tenor zur Bewertung eines Sportkommentators ist meist aber einfach nur Daumen hoch oder Daumen runter. Traurig finde ich, wenn selbst renommierte Zeitungen nur eine Schublade aufziehen und Kommentatoren in die so genannte „Unterhaltungs-schublade“ stecken, bloß weil sie auch eine Talkshow machen. Da fehlt mir die Fähigkeit zur Differenzierung, ja sogar ein Mangel an Intellekt. Man darf nicht vergessen, dass Beckmann und Kerner aus dem Sport kommen. Wer Kerner mal gesehen hat, wie er sich auf ein Spiel vorbereitet, weiß, was Professionalität ist. Andere lesen einfach nur den Kicker. Kerner spricht immer zuvor mit dem Trainer. Was die Unterhaltung angeht: Natürlich machen wir Unterhaltung. Sport ist Unter-haltung. Ein klasse Fußballspiel ist Unterhaltung. Damit wollte ich jetzt nicht Bela Rhéty abwerten. Rhéty hat ein Auge für den Fußball, ähnlich wie ein erfahrener Kameramann. Er liegt meist schon vor der Zeitlupe mit seiner Bewertung richtig, ist aber eben ein anderer Typ, den man nicht vergleichen kann.

Dem mittlerweile fest installierten Moderatorenduo Netzer und Delling in der ARD hat das ZDF die Doppelmoderation Posch-mann und Beckenbauer entgegengesetzt. Wollten sie bewusst einen Gegenpart zur inszenierten Moderation installieren?

Poschmann: Nein, ganz im Gegenteil. Wir haben ja 1994 angefangen mit der Doppelmoderation, damals mit Kalli Feldkamp. Die Antwort der ARD war dann Günter Netzer. Uns ging es darum, ein munteres Gespräch über Fußball zu führen und kein Trainerfachseminar zu veranstalten. Netzer mit Beckenbauer zu vergleichen ist ungefähr dasselbe, wie Kerner mit Rhéty zu vergleichen. Es ist nicht legitim: Netzers Stärke, für die er ja auch vollkommen zu Recht ausgezeichnet worden ist, ist die sachliche Analyse eines Spiels. Beckenbauer hingegen spricht mehr den Fußballfans aus dem Herzen. Und das ist genau das, was wir haben wollten. Natürlich profitieren wir auch von seinen Kontakten. Er ist ja jemand, der noch voll im Fußballgeschäft steckt. Wir hatten beispielsweise schon lange den Traum, gemeinsam mit dem holländischen Fernsehen zu arbeiten. Bislang war das Interesse des holländischen Fernsehens aber nicht groß. Die Zusammenarbeit kam dann auch durch die Kontakte von Beckenbauer zu Johan Cruyff zustande. Und das war ja etwas völlig Neues. Andere Sender hätten dies als „großes Novum“ in der deutschen Sportberichterstattung ange-kündigt. Wir geben uns da bescheidener. Johan Cruyff war völlig begeistert von der Zusammenarbeit und ich denke auch, dass die Kooperation mit den Holländern sehr gut ankam – auch wenn ein Großteil des Gesprächs ins Holländische übersetzt wurde. Durch die Kontakte von Franz Beckenbauer kam auch Gary Lineker zu uns ins Studio. Und das ohne horrende Honorarzahlungen.

Blicken wir mal zurück zur Tour de France. Da gibt es auch Gesprächsbedarf. Der ARD wurde aufgrund des Sponsoren-Vertrags mit der Telekom die Unabhängigkeit der Berichterstattung in Frage gestellt. ARD-Kommentator Hagen Boßdorf bezichtigte Rennfahrer Jens Voigt des „Verrats an einem Freund“, weil dieser nicht für Jan Ullrich fuhr. Am folgenden Tag wurde die Kritik von Voigt an der Berichterstattung in einem ZDF-Interview vehement durch das Abbrechen der Ausstrahlung beendet. Wie kann so etwas passieren?

Poschmann: Das ist halt klar, dass ein paar schreibende Kollegen ihre Form der Interpretation dieser Vorgänge finden. Tatsache ist, ich habe es ja miterlebt und war selbst als erster erschrocken, dass ein Operator, der für das Zuspielen der Beiträge verantwortlich ist, zu früh auf eine Taste gekommen ist und einen Out-Punkt gesetzt hat, wo keiner vorgesehen war. Das passiert in einer Bericht-erstattung, die über fünf, sechs Stunden geht, immer mal wieder. Dass es ausgerechnet an dieser Stelle passiert ist, ist ausgesprochen peinlich, weil in weiteren 15 Sekunden der Satz ausgesprochen gewesen wäre. Dann hätten alle gewusst, worum es da geht. Der ARD war es auch bekannt, das wir diesen Passus des Interviews veröffentlichen wollten. Die Kollegen hatten keine Einwände, da sie das Thema am Folgetag ohnehin aufarbeiten wollten. Wenn so etwas bei solch einem Interview passiert, muss man natürlich mit dem Vorwurf der Manipulation rechnen. Glauben sie mir, wenn wir hätten manipulieren wollen, hätten wir das perfekter getan.

Jetzt in Athen werden zum ersten Mal vier digitale Kanäle für die Berichterstattung freigeschaltet. Dies bedeutet über 1.400 zusätzliche Sendestunden für ARD und ZDF. Was ergeben sich nun für Veränderungen, wie groß ist die Herausforderung?

Poschmann: Wir haben jetzt vier zusätzliche Vollprogramme, anstatt des üblichen einen Programms. Wir müssen also vier Programme mehr sowohl logistisch als auch redaktionell bestücken. Es wird also mehr Live-Reportagen geben, die Reporter müssen einfach länger vor Ort sein. Bei uns wird das zu Lasten des Hauptprogramms gehen. Die ARD hat da seit jeher mehr Kollegen zur Auswahl, sie haben auch ihre Hörfunk-redaktionen. Deshalb ist in dem Sinne keine Not am Mann. Wir müssen dies alles mit nur einer Redaktion leisten können.

Zur WM 2006. Was trauen sie Jürgen Klinsmann bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land zu?

Poschmann: Das liegt ja alles im Bereich der Spekulation und der Vermutungen. Ein Blick zurück in die Geschichte der Fußball-Nationalmannschaft zeigt, dass wir in keiner Endrunde überragend gespielt haben. Auch wenn einige dies nicht wahrhaben wollen. Richtig überzeugende Auftritte oder gar einen Trend gab es kaum. Eine Ausnahme war die Zeit der frühen 1970er Jahre mit Breitner und Netzer. Blicken sie doch einfach mal zwei Jahre zurück. Da wurde die National-mannschaft gefeiert, als hätte sie den WM-Titel gewonnen. Da hat keiner die Nachwuchsarbeit angeprangert. Und gerade bei dieser WM hatten wir „Riesenschwein“. Wir haben gegen keine europäische Mannschaft gespielt und in den entscheidenden Spielen hatten wir immer längere Ruhephasen, was bei einem solchen Turnier ja nicht unwichtig ist. Auf  Südkorea trafen wir, als diese schon sehr ermüdet waren. Eigentlich hatten wir nur ein gutes Spiel, das war das Finale und das haben wir verloren. Zu Zeiten des Erfolgs wird nichts hinterfragt. Deshalb halte ich es auch für wenig hilfreich, im Falle des Nicht-Erfolgs alles in Frage zu stellen. Die WM und EM spiegeln das wieder, was Rudi Völler schon gesagt hat: Die Welt ist zusammengerückt – es gibt keine „Kleinen“ mehr. Da hilft auch ein übergreifender Blick auf andere Sportarten. Heute gewinnen Athleten von den Bahamas und Jamaika Goldmedaillen. Aber man muss das Ganze auch positiv sehen: Wäre dies nicht so, wäre alles nur halb so spannend. Das soll jetzt nicht pessimistisch klingen. Fest steht aber, dass der Fußball in der Bundesliga nicht die Schnelligkeit und hohe Technik zeigt, wie in der italienischen oder englischen Liga. Doch kann ich bei uns auch die Diskussion um eine mangelhafte Jugendarbeit nicht verstehen. Es sind doch noch nie so viele junge Spieler aufgelaufen und eingesetzt worden, wie derzeit. Franz Beckenbauer war ja damals der erste „Teamchef“, also kein Trainer im eigentlichen Sinne. Der ist ja bekanntlich mit Holger Osiek Weltmeister geworden.


Zur Person
Wolf-Dieter Poschmann, geboren 1951, ist Chef der ZDF-Hauptredaktion Sport. Er moderiert und kommentiert während der Olympiade live aus Athen.

Herr Antwerpes, blicken wir zurück zur Europameisterschaft 2004: „Bilder wie wir sie so noch nicht gesehen haben“, so oder ähnlich kommentierte Ursula Hoffmann die Bilder, die während der EM aus dem Wohnzimmer der Familie Ricardo ausgestrahlt wurden. Bisher kannte man solche Bilder eher von RTL II aus dem Big Brother Container.  Dies war eine eher untypische Art der öffentlich-rechtlichen Bericht-erstattung. Wie stehen sie dem gegenüber?

Antwerpes: Was ist typisch für öffentlich-rechtliches Fernsehen? Das ist ja immer so ein hehrer Anspruch, der nie genau definiert wird. Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist genauso gute Unterhaltung wie privates Fernsehen. Es gibt genauso gute oder schlechte Unterhaltung hier wie dort. Ich find das immer viel zu pauschal zu sagen: das ist öffentlich-rechtliches und das ist privates Fernsehen. Es gibt mittlerweile viele Über-schneidungen und ich find das auch gut so, dass sich das gemischt hat. Sicher heben wir uns ab. Aber das eine Schalte dieser Art über Wohl und Wehe des öffentlich-rechtlichen Fern-sehens entscheiden soll, halte ich für ein bisschen übertrieben. Das ist eine Möglichkeit oder ein Versuch, so etwas mal zu machen. Den gilt es auszuwerten, ob man so was noch mal macht. Man muss auch mal Dinge ausprobieren, um sich zu verbessern. Wenn man am Ende zum Entschluss kommt, das hat uns gefallen, dann ist es gut so. Kommt man zu dem Entschluss, das hat uns nicht gefallen, dann lässt man es. Das ist eine ständige Überprüfung der eigenen Qualität. Das erreicht man nur, wenn man auch was ausprobiert. Wenn sie immer nur auf den selben Pfaden entlang trampeln, werden sie nichts Neues entdecken.

Auch die Kommentatoren Beckmann und Kerner standen während der EM in der Kritik. Überspitzt gesagt wurde Ihnen vorgeworfen, mehr für die Medienseite der Süddeutschen Zeitung zu kommentieren, als für den Zuseher. Bela Rhéty hingegen wurde für seine Leistungen gelobt. Wie viel Entertainment und Hintergrund-berichterstattung braucht denn ein Fußballkommentar?

Antwerpes: Das ist eine ganz ausgewogene Mischung. Ich kenne nur eine andere Umfrage: dass Herr Kerner von den vieren der Beliebteste war. Was aber mit seiner großen Popularität zusammenhängt. Wenn Leute auf der Strasse gefragt werden, dann sagen sie eher Kerner, weil ihnen der Name ein Begriff ist. Ich denke, dass ein Fußballkommentar in erster Linie sparsam sein soll. Das heißt, er soll ergänzende Informationen liefern und nicht das Bild zuquatschen. Er soll nicht das beschreiben, was man ohnehin sieht. Und dann kann er auch unterhaltend sein. Ich halte wenig davon zu sagen, wir müssen jetzt in einer staubtrockenen oder vornehmlich seriösen Weise daher lamentieren. Fußball ist Unterhaltung und insofern verträgt auch der Kommentar unterhaltende Elemente. Beispielhaft ist Marcel Reif, der es versteht, sachlich kompetent und mit einigen Wortspielchen einen Kommentar abzugeben. Es muss also sowohl Unterhaltung und Information sein.

Gerhard Delling und Günter Netzer sind mittlerweile ein prägendes Element der ARD-Fußballberichterstattung. Ihr Wechselspiel wirkt phasenweise sehr inszeniert. Nimmt diese Inszenierung nicht überhand?


Antwerpes: Das ist ja erst einmal Ihr persönlicher Eindruck. Das, was zugenommen hat, ist das Drumherum. Die neunzig Minuten auf dem Platz sind das eine, mittlerweile sind wir dazu übergegangen, sechzig Minuten vorher und sechzig Minuten nachher darüber zu reden, was passieren wird oder was passiert ist. Das halte ich natürlich auch für zuviel. Andererseits nimmt der Zuschauer dies so an. Wir machen nur das, was der Zuschauer annimmt und gerne sieht. Es wird immer wieder welche geben, denen das nicht gefällt und auch immer solche, denen es gefällt. Und solange das so ist und wir nicht überhäuft werden mit bitterbösen Schmähbriefen, halte ich das für die richtige Variante. Ich wüsste nicht, dass sich jemand beschwert über Delling/Netzer.


Blicken wir mal zurück zur Tour de France. Da gibt es auch aktuellen Gesprächsbedarf: Es gab den Konflikt zwischen ARD-Kommentator Hagen Boßdorf und Fahrer Jens Voigt, woraufhin von den schreibenden Kollegen die Unabhängigkeit der ARD-Berichterstattung infrage gestellt worden ist. Widerspricht ein Sponsoring-Vertrag zwischen der ARD und der Telekom oder auch die Zusammenarbeit von Boßdorf und Ullrich bei der Verfassung der Biographie Jan Ullrichs nicht den Regeln der unabhängigen Berichterstattung?

Antwerpes: Das ist ja schon eine rhetorische Frage. Die Eins auf der Brust des Team Telekom ärgert in erster Linie das ZDF und erfreut die ARD. Ich denke, dass man als größtes Medienunternehmen in Deutschland Werbe-möglichkeiten nutzen können muss. Man muss allerdings auch deutlich trennen können, zwischen dem, was auf der einen Seite an Werbung passiert durch die „Eins“ und auf der anderen Seite, was in Interviews und durch die Berichterstattung passiert. Dass das schwer ist, das gebe ich gerne zu. Ich kann mir auch vorstellen, das von außen der Eindruck entstehen kann, dass das so nicht funktioniert. Ich bin sicher, dass sich die Kollegen eine Frage nicht erlauben, bloß weil da die „Eins“ auf der Brust steht. Ich glaube nicht, dass es da zu gefälligem Journalismus kommt. Das können wir schon trennen, dazu sind wir in der Lage. Was Hagen Boßdorf angeht: Es ist seine Privatangelegenheit, wie er das macht. Ob er ein Buch schreibt mit Jan Ullrich oder wie er mit Jens Voigt umgeht. Das muss er selber wissen. Da möchte ich mich einfach nicht einmischen.

Spricht aber nicht die Existenz eines
Privatvertrags der ARD, der besondere Bilder von Jan Ulrich sichert, gegen eine zumindest gleichberechtigte Berichterstattung?

Antwerpes: Es ist nicht unsere Aufgabe, uns schlechter zu machen, nur damit wir mit dem ZDF gleichziehen. Unsere Aufgabe ist es, den Zuschauern die Faszination der Tour de France näher zu bringen. Und wenn man es schafft, mit Herrn Pevenage einen solchen Vertrag abzuschließen, der uns bessere Bilder und andere Informationen liefert, dann ist das auch im Sinne der Zuschauer. Das ist wunderbar und hat nichts mit Beeinflussung zu tun. Das ist eine Möglichkeit, sich Infor-mationen und Eindrücke zu beschaffen, die man sonst nicht gekriegt hätte.

Jetzt in Athen werden zum ersten Mal vier digitale Kanäle für die Berichterstattung frei-geschaltet. Dies bedeutet über 1.400 zusätzliche Sendestunden für ARD und ZDF. Was ergeben sich nun für Veränderungen, wie groß ist die Herausforderung?

Antwerpes: Das ist eine Riesenherausforderung. Bislang war es so, dass die Kollegen an den Tagen, an denen das ZDF gesendet hat, frei hatten oder sich vorbereiten konnten. Jetzt sitzen sie weiter in den Kabinen und sprechen auf die digitalen Kanäle. Das ist eine große Umstellung von der Arbeits-belastung her, aber auch von der Einstellung. Im ARD- und auch ZDF-Hauptprogramm werden ja nur die Highlights übertragen. Bei einem Tennisspiel ging man erst im entscheidenden fünften Satz auf Sendung. Jetzt kommentieren die Reporter fünf Sätze durch. Es sind die Reporter, die auch sonst dabei sind. Ich wüsste wenige, die zusätzlich hinzukommen. Vielleicht ein, zwei. Das aber nur, weil auch im ARD-Bereich Bedarf vorhanden war. Es ist einfach eine Umstellung. Da muss man sich für den digitalen Kanal viel mehr vorbereiten für viel, viel weniger Zuschauer als für die Viertelstunde im Haupt-programm der ARD, wo sie zehn Millionen Zuschauer haben.  Das wird für die Zuschauer ein tolles Angebot. Die Freaks werden sich das reinziehen, sofern sie es empfangen können. Das ist ja noch nicht jedem möglich. Es ist ein Einstieg in das digitale Sportfernsehen. Da wollen wir probieren, ob wir nicht auch eine Duftnote setzen können.


Zur WM 2006. Was trauen sie Jürgen Klinsmann bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land zu?


Antwerpes: Ich traue ihm wenig zu. Das liegt aber nicht daran, dass ich ihn als Mensch nicht schätze, sondern weil ich den Fundus des deutschen Sports für nicht so überragend halte, dass Klinsmann ihn in den wenigen verbleibenden Monaten, die es jetzt ja wirklich nur noch sind, auf eine bessere Basis stellt. Dafür ist die Zeit zu kurz, dafür ist auch zu viel verschlafen worden. Die Entscheidung des DFB halte ich für mutig. Klinsmann/Bierhoff, das wirbelt das ganze durcheinander. Das löst verkrustete Strukturen auf, das halte ich erstmal für positiv für den DFB. Grundsätzlich bin ich positiv gestimmt. Aber ich bezweifle, dass es bis zur WM 2006 noch etwas wird.

Zur Person
Michael Antwerpes, geboren 1963, ist Sportchef des SWR. Er sitzt für die ARD im Olympia-Studio in Athen.

 



















 

 


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