Tagesschau kinderleicht



Text:
Manuela Rüther   Bild: WDR

„Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.Vielen Erwachsenen hat sich dieser Satz seit der Kindheit eingeprägt. Das waren die 15 Minuten, in denen man nichts sagen durfte, weil Papa „seine“ Nachrichten gucken wollte. Oft war es auch nur das Warten auf die Sendung danach.

Auch Gesa Dankwerth hat als Kind oft mit ihren Eltern die Tagesschau verfolgt und „selten etwas verstanden.“ Heute erklärt die 29-Jährige Kindern Ausschnitte aus der beliebten Nachrichtensendung. Neuneinhalb Minuten hat sie dafür Zeit und so heißt auch die gleichnamige Sendung, die seit April 2004 immer samstags um 10.50 Uhr und um 13.50 Uhr im Ersten läuft.

Zielgruppe sind Kinder zwischen acht und 13, aber unter den Zuschauern sind auch viele Erwachsene. „Die Tagesschau und die Tagesthemen sind super Sendungen, aber die können es sich ja einfach nicht leisten, alle Themen noch mal von Anfang an zu erklären, die müssen ja auch auf einem bestimmten Level einsteigen. Und fast jeder politisch interessierte Mensch hat trotzdem irgendwo immer Punkte, bei denen er nicht so genau Bescheid weiß und einfach nur Halbwissen hat“, erklärt die Kölnerin.

Halbwissen dürfte nach neuneinhalb Minuten „Neuneinhalb“ schnell beseitigt werden. Dank Bluebox-Technik springt Gesa Dankwerth im wahrsten Sinne des Wortes ins Bild und erklärt auf spielerische Weise, was im gerade gezeigten Beitrag gesagt wurde. Neben einigen Ausschnitten wird jede Woche ein Schwerpunktthema erklärt. Wie die Präsidentschaftswahl in den USA funktioniert beispielsweise. Um das Wahlsystem der Amerikaner deutlich zu machen, bekommen die Kinder eine Karte der USA zu sehen – das leuchtet ein. Die aus „Mensch Ärgere Dich nicht“ und weiteren Gesellschaftsspielen bekannten Püppchen spielen die Wahlmänner.


Ein Sprung – und schon im Bundestag


Spielen ist ein gutes Stichwort, denn so kommt einem die Tagesschau auf einmal vor. Auf den ersten Blick sehr komplexe politische Ereignisse kommen durch die Sendung nur noch halb so kompliziert daher. Kinderleicht eben. Damit das funktioniert, beweist das sechsköpfige Redaktionsteam, zu dem auch Gesa Dankwerth gehört, jede Woche aufs Neue viel Fantasie. Wird die Moderatorin nicht gerade selbst in einen Beitrag „eingebaut“ und nimmt beispielsweise zwischen bekannten Politikern im Bundestag Platz, so werden Redaktionsmitgliedern prominente Gesichter aufgeklebt und durchs Bild geschubst. Nach neuneinhalb Minuten erscheint die Welt um deutlich einfacher. Wer noch mehr wissen möchte, kann im begleitenden
Internet-Angebot nach weiteren Informationen suchen.

Die Lieblingssendungen im www


Erstaunlich viele Kindersendungen warten mit eigenen, bunten Webauftritten auf. So kann man beispielsweise auf den Seiten der
Sendung mit der Maus die Lach- und Sachgeschichten noch einmal nachlesen, sich Basteltipps holen oder Mausspiele ausprobieren. Eine Internet-Seite, die Spaß macht. Die Bedeutung von begleitenden Angeboten im Internet wurde auch im Zusammenhang mit der aktuellen Studie Kinder und Medien 2003 von ARD und ZDF herausgestellt. So sagte ZDF-Intendant Markus Schächter, dass Lernen, Arbeiten und Spielen auch in den Web-Angeboten im Mittelpunkt stehen sollten. Immerhin finde der Computer zunehmend Eingang in den Alltag der Kinder, wie die Studie zeigt.

Hier wurde auch deutlich, dass das Fernsehen bei Kindern unter den Medien nach wie vor an erster Stelle steht. So sehen 83 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen jeden oder fast jeden Tag fern. 39 Prozent – und damit mehr als doppelt so viele wie in der Vergleichsstudie von 1990 – haben sogar einen eigenen Fernseher. Während man sich bei sehr vorbildlichen Zeitschriftenangeboten wie „
Geolino“ also fragen könnte, ob diese Angebote jedem Kind zugänglich werden, haben Kinderfernsehsendungen scheinbar das Potenzial, überall wahrgenommen zu werden.

Elterninitiative wichtig


Das Angebot ist also da und wird laut Gesa Dankwerth immer besser. „Ich glaube, dass in dem Bereich schon ein bisschen mehr investiert wird, auch wenn meiner Meinung nach noch nicht genug.“ Bleibt die Frage, ob Kinder auch ohne entsprechende Initiative der Eltern überhaupt eine kindgerechte „Tagesschau“ sehen wollen. Die Lach- und Sachgeschichten rund um die Maus und den Elefanten erreichen jede Woche rund zwei Millionen Zuschauer. Auch „neuneinhalb“ kommt mit durchschnittlich knapp 500.000 Zuschauern immerhin auf einen Marktanteil von sechs bis acht Prozent. Die Sendung läuft im nächsten Jahr weiter. Ob sie zu einer solch generationenübergreifenden Institution werden kann wie beispielsweise die Kindersendung „Löwenzahn“ ist noch fraglich.


Immerhin hat auch Gesa Dankwerth als Kind schon gerne
Peter Lustig geguckt. Zu dem Job als Moderatorin kam sie eher zufällig: „Ich habe das Konzept der Sendung mitentwickelt und dann brauchten wir für eine Testsendung jemanden, der sich vor die Kamera stellt. Da dachte ich: ‚Mach ich das halt’.“ Aus der Probesendung wurde eine wöchentliche Moderation. Für Gesa Dankwerth, die seit ihrem Volontariat bei Vox unbedingt Kinderfernsehen machen wollte, ein Job, der „unglaublich viel Spaß macht.“ Das merkt man ihr an.

AUSGABE 41
DIE GEGENWART FÜR KINDER




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TAGESSCHAU KINDERLEICHT

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IN EIGENER SACHE: RÜCKBLICK 2003/04

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