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 TITEL
 Die Marke Mensch
 
 INTERVIEW:
  BJÖRN BRÜCKERHOFF 
 
 Was sind menschliche Marken? Die Gegenwart sprach mit einem, 
    der es wissen muss. Dieter Herbst, Professor für Kommunikationsmanagement, 
    ist Autor des Buches
  "Der 
    Mensch als Marke". Herbst erklärt das Phänomen menschlicher 
    Marken, benennt ihre Probleme und zeigt auf, welche Schritte zum Aufbau 
    einer eigenen Marke beachtet werden sollten. 
 
 Herr Herbst, ganz 
    allgemein: Wer hat das Zeug zur Marke?
 
    
    Herbst: Jener, der es versteht, seiner Leistung 
    systematisch eine Persönlichkeit zu verleihen, die diese Leistung dauerhaft 
    aus dem Überangebot am Markt heraushebt, klar erkennbar und für die 
    Zielgruppe begehrenswert macht.
 Menschen ändern sich 
    schnell, sind unberechenbar und schwanken in ihrer Leistung. Wie können 
    Markeneigenschaften trotzdem auf Menschen bezogen werden?
 
 Herbst: Menschen können kaum 
    gleich bleibende Qualität garantieren: Pavarotti singt jeden Abend anders, 
    ein Haarschnitt und eine Unternehmensberatung fallen immer unterschiedlich 
    aus. Essenziell ist daher zunächst, über die Kernmerkmale seiner Leistung zu 
    informieren. Ist dieser Markenkern von Bedeutung für die Zielgruppen, dann 
    nehmen diese auch Schwächen und weniger günstig beurteilte Eigenschaften in 
    Kauf, wie im Fall von Harald Juhnke. Zusätzlich verringern 
    vertrauensbildende Maßnahmen das wahrgenommene Risiko, von der Leistung 
    enttäuscht zu werden. Hierzu gehören eigene Qualitätsstandards und Aussagen 
    darüber, dass der Anbieter bereit ist zur Leistung und dass er dazu fähig 
    ist.
 
 Welche Typen von 
    Markenmenschen und welche Merkmale einer menschlichen Marke unterscheiden 
    Sie?
 
 Herbst: Grundsätzlich 
    kann jeder seine Leistung zur Marke aufbauen – ob Sänger, Schauspieler, 
    Politiker, Frisör, Journalist. Wichtig ist zu unterscheiden, ob der Mensch 
    eine Leistung herstellt, die materiell (Bild, Skulptur etc.) und deren 
    Qualität objektiv messbar ist (Spitzensportler etc.) oder ob die Leistung 
    immateriell ist und keine objektiven Leistungsmerkmale hat, wie zum Beispiel 
    eine Opernaufführung. Dies wirkt sich – wie auch bei klassischen 
    Dienstleistungen - auf die Anforderungen an die Markenführung aus.
 
 Sie unterscheiden 
    zwischen Marke und Markierung. Können Sie dafür einige Beispiele nennen?
 
 Herbst: 
    Für 
    mich ist eine Marke eine Produktpersönlichkeit, die ein anonymes Produkt aus 
    der Masse heraushebt. Die Markierung ist das Zeichen, das stellvertretend 
    für diese Marke und ihre Werte steht. Die Marke wäre also Mercedes und die 
    Markierung der Stern. Die schweizerische Nationalfahne ist nicht die Marke, 
    sondern sie steht für sie. Ein Grund für die Unterscheidung ist, dass es 
    Markierungen geben kann, die für eine schwache Marke stehen, wie im Fall von 
    Sprengel, E.on und Aral.
 
 Wie lassen sich 
    Menschen gezielt und langfristig als Marke aufbauen? Gibt es ein Rezept der 
    Markenbildung?
 
 Herbst: 
    
    Die Markenführung von Menschen 
    sollte vier Elemente berücksichtigen: Erstens, die 
    Markenkultur, also das, wofür die Marke steht (Ist); zweitens, das 
    Markenleitbild, das ausdrückt, was die Marke sein will (Soll); drittens, die 
    Instrumente, die die Markenpersönlichkeit vermitteln sowie - viertens - das 
    Image als Ergebnis der Markenführung. Der Managementprozess besteht 
    ebenfalls aus vier Elementen, die sich schon in der 
    klassischen Markenführung bewährt haben: Analyse der Ausgangssituation mit 
    der Formulierung des Handlungsbedarfs, der Planung der Lösung, der 
    Gestaltung der Lösung und der Kontrolle des Erfolgs.
 
 Wann ist erkennbar, 
    dass ein Mensch zu einer Marke geworden ist? Wie unterscheidet man die Marke 
    Mensch vom puren Labeling?
 
 Herbst: Ein Mensch hat 
    sich dann zur Marke entwickelt, wenn die Zielgruppen über ein starkes, 
    einzigartiges Vorstellungsbild von der Leistung der Marke verfügen. Durch 
    dieses Vorstellungsbild können sie die Marke klar erkennen, von anderen 
    unterscheiden und gut finden. Schließlich sind sie bereit, mehr Geld für 
    jene Leistung auszugeben, als für eine vergleichbare Leistung. Je stärker 
    die Marke ist, desto mehr Geld geben sie für die Marke aus.
 
 Nach Naomi Klein 
    erobern Marken öffentlichen Raum, der ihnen nicht zusteht. Wie sehen sie das 
    in Bezug auf die Marke Mensch?
 
 Herbst: Die Leistung von 
    Menschen kann essenziell Funktionen für die Gesellschaft erfüllen, wie im 
    Fall von Politikern. Sie kann wichtige psychologische Funktion erfüllen, wie 
    die Identifikation mit einem Star, die die Gefühlswelt der Menschen 
    bereichert. Durch Projektion kann der Star sogar das ausleben, was seine 
    Fans nicht können, wie im Fall von Bösewichtigern oder selbstbewussten 
    Liebhabern. Wer, wenn nicht Menschen, stehen im öffentlichen Raum?
 
 Die Marke Boris 
    Becker oder Franz Beckenbauer scheinen immun gegen Skandale zu sein. Wieso 
    können diese Marken trotz Affären fast ungehindert weiter bestehen?
 
 Herbst: 
    
    Es hat immer wieder Menschen 
    gegeben, deren Persönlichkeit so stark war, dass sie auch Skandale nicht 
    grundlegend schwächen konnten - Helmut Kohl hat dies „aussitzen“ genannt. 
    Mitunter können es sogar gerade jene Skandale sein, die die Zuwendung zur 
    Person stärken, weil man sich mit ihren Schwächen identifizieren kann. Nur 
    dann, wenn der Skandal den Markenkern berührt, kann dies die Existenz der 
    Marke gefährden, wie sich im Fall der Fernsehmoderatorin Margerate 
    Schreinemakers gezeigt hat, die für viele durch eine Steueraffäre 
    unglaubwürdig wurde.
 
 Wen rechnen Sie zu 
    den stärksten Marken in Deutschland? Weltweit?
 
 Herbst: 
    
    In Deutschland sind die zum Beispiel Politiker wie 
    Joschka Fischer, Gerhard Schröder und Edmund Stoiber, Dichter wie Goethe und 
    Personen der Zeitgeschichte wie Alice Schwarzer. Weltweit fallen mir 
    natürlich zuerst die Megastars wie Madonna, David Bowie, Michael Jackson und 
    Elton John ein, weil sie uns durch die täglichen Berichte in den 
    Massenmedien gedanklich präsent sind. Zu den starken Marken gehören aber 
    genauso Dichter wie Hemingway, Komponisten wie Mozart und historische 
    Persönlichkeiten wie Gandhi.
 
 Wie müssen 
    Markenmenschen angesichts der Globalisierung entwickelt werden? Geht eine 
    Anpassung an globale Bedürfnisse nicht auf Kosten der eigentlich 
    interessanten Marken-Individualität?
 
 Herbst: 
    Wie bei herkömmlichen 
    Marken müssen Ausmaß und Form der Internationalisierung auch beim Menschen 
    sorgfältig geprüft werden: So gibt es zahlreiche Beispiele für Menschen, die 
    auf internationalen Märkten erfolgreich sind, weil deren Eigenschaften rund 
    um den Globus geschätzt werden, wie Reichtum, Schönheit und sogar die 
    Internationalität selbst, wie im Fall von Supermodel Claudia Schiffer. 
    Bietet ein Mensch kulturgebundene Leistungen an, wie im Fall vieler Komiker, 
    kann dies die Internationalisierung verhindern.
 
 Einmal Marke, immer Marke? 
    Wie wird man sein Image wieder los und/oder nimmt ein neues Image an?
 
 Herbst: 
    
    Das gelingt nur in einem 
    professionellen Prozess der Markenführung, in dem die Menschen langfristig 
    und systematisch verlernen müssen, wofür ein Mensch steht. Dieses Wissen 
    müssen sie ersetzen durch neues Wissen, das ihnen die Markenführung 
    vermittelt. Wie schwierig dieser Prozess ist, zeigen die Beispiele von Romy 
    Schneider und Cornelia Froboess, die sich zumindest in Deutschland nie von 
    der Sissy und der Badehose lösen konnten.
 
 Wie  überarbeitet 
    man eine menschliche Marke?
 
 Herbst: 
    
    Im Prinzip gelten auch hier die 
    gleichen Anforderungen wie an traditionelle Marken: Man sollte sich auf den 
    Markenkern konzentrieren und diesen glaubwürdig neu inszenieren bzw. auf 
    neue Gebiete übertragen. Wie behutsam dies geschehen muss, darüber 
    entscheidet, wie gefestigt das Markenwissen  bei den Konsumenten ist.
 
 Nimmt die Bedeutung 
    der Eigenvermarktung aus Ihrer Sicht zu? Wenn ja, warum?
 
 Herbst: 
    
    Ja, die Bedeutung der Eigenvermarktung nimmt auch 
    weiter enorm zu, weil immer mehr Menschen ihre Leistung auf Märkten 
    anbieten, die durch harten Konkurrenzkampf gekennzeichnet sind.
 
 Wie dehnt man eine 
    menschliche Marke auf neue Zielgruppen aus? Haben Sie Beispiele?
 
 Herbst: 
    Dies kann genau so gelingen 
    wie im Fall von herkömmlichen Marken: Steht fest, wofür die Marke steht, 
    dann lassen sich diese Eigenschaften möglicherweise auf andere Gebiete 
    ausweiten: Zum Beispiel war Hildegard Knef Schauspielerin, Sängerin, Malerin 
    und Buchautorin. Menschen können auch in ganz neue Felder gehen, wie dies 
    der Kinderstar Shirley Temple getan hat, die als Politikerin erfolgreich 
    ist, nachdem sie sich als Schauspielerin nicht entwickeln konnte.
 
 Was passiert, wenn sich 
    eine menschliche Marke zu sehr an den Zeitgeist anpasst?
 
 Herbst: 
    
    Das Anpassen an den Zeitgeist 
    kann geradezu das Kennzeichen der Marke sein. Die Anpassung an den Zeitgeist 
    muss jedoch auf Grundlage einer starken Persönlichkeit geschehen, wie dies 
    Madonna vormacht. Andersfalls wird die Marke als Nachläufer von Trends 
    gesehen, der eine eigene Persönlichkeit und damit Stärke fehlt.
 
 Gibt es 
    Markenmenschen, die nichts mehr falsch machen können? Dieter Bohlen läuft ab 
    sofort in der Öffentlichkeit nur noch in Kleidung der Marke „S.Oliver“ 
    herum, obwohl man ihn damit sicher nicht sofort in Verbindung bringen würde.
 
 Herbst: 
    
    Menschen als Marke müssen nicht 
    perfekt sein: Gerade ein Widerspruch oder etwas Unerwartetes kann 
    Aufmerksamkeit auslösen. Zum Beispiel sollten auch Stars immer rätselhaft 
    bleiben, um das Interesse seiner Fans wach zu halten. Wichtig ist nur, dass 
    der Markenkern nicht in Frage gestellt wird.
 
 Was ist das 
    wichtigste einer Markenpersönlichkeit?
 
    Herbst: 
    Es 
    gibt vier Eigenschaften, über die eine starke 
    Markenpersönlichkeit verfügt: Sie steht im Austausch mit ihrem Umfeld, sie 
    zeigt Konstanz und ist widerspruchsfrei und – vielleicht das Wichtigste – 
    sie besitzt Individualität.
 Die Unternehmensberatung 
    McKinsey versucht, mittels des so genannten Brand Personality Gameboard, für 
    jedes Produkt die passende Markenpersönlichkeit als Werbeträger zu 
    errechnen. Was halten Sie von diesem Ansatz?
 
 Herbst: 
    Es 
    gibt mehrere Modelle, dies zu tun, wie zum Beispiel auch das Modell von TNS 
    EMNID. Dahinter steht die Überlegung, die Merkmale des Menschen zu erfassen 
    und mit den Merkmalen von Produkten zu kombinieren – entweder, dass beide 
    sich gemeinsam stärken oder dass beide neue Eigenschaften aufeinander 
    übertragen. Grundsätzlich finde ich diese Modelle sinnvoll, auch wenn sie 
    mir mitunter zu undifferenziert scheinen und ich bei der Konstruktion der 
    untersuchten Merkmale sehr skeptisch bin, ob sie den Zielgruppen angemessen 
    sind.
 
 Was tun Sie selbst 
    für Ihre Markenbildung?
 
 Herbst: 
    Ich 
    nutze gezielt, systematisch und langfristig meine Erkenntnisse.
  
 
 
 ZUR PERSON
 
 Prof. Dr. Dieter Herbst
 
 Dieter Herbst studierte Soziologie, Publizistik, Psychologie 
    und Erziehungswissenschaft in Frankfurt am Main und Berlin sowie 
    Wirtschaftswissenschaften an der Fern-Universität Hagen. Er ist 
    Honorarprofessor für Kommunikationsmanagement am Institut of Electronic 
    Business der Universität der Künste Berlin und Dozent für 
    Kommunikationsmanagement im Studiengang Executive MBA in Business 
    Engineering der Universität St.Gallen. Sein Motto lautet: "When everyone on the ice is trying to get where the puck is, I try to 
    get where the puck is going to be." (Wayne Gretsky). 
    Seine Homepage:
  http://www.dieter-herbst.de 
 
  Dieter 
    Herbst spricht am 19.6.2003 um 19.00 Uhr in der Hamburger Kunsthalle 
    (tatsächlich in der "Galerie der Gegenwart") zum 
    Thema "Der Mensch als Marke". Weitere Informationen finden Sie beim PR Club 
    Hamburg.   
    
    
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