Mohns Erben im Geiste
Text:
Björn Brückerhoff
Bilder:
Bertelsmann
Mit dem Reinhard Mohn Fellowship-Programm fördert
das internationale Medienhaus Bertelsmann seit 2002 junge „soziale
Unternehmer“. Die Bewerber, die beeindruckende soziale Projekte auf die
Beine gestellt haben, werden während des einjährigen Trainings an
verschiedenen weltweiten Stationen im Konzern
eingesetzt. Sie sollen so wertvolle Kontakte knüpfen und Arbeitsweisen
kennen lernen, die sie für ihre eigene Arbeit benötigen. Der Konzern erhofft
sich im Gegenzug
„neue Denkanstöße" und eine
„Katalysatorwirkung" durch die
unverkrampften Sichtweisen der
externen High Potentials. Doch nach einem Jahr scheiden die Fellows wieder
aus dem Unternehmen aus und kehren in ihre Projekte zurück. Im
Interview erläutert Anette Bickmeyer, Program Director des
Reinhard
Mohn Fellowships, den Nutzen des Programms für das
Medienunternehmen.
Frau Dr. Bickmeyer, das
Reinhard Mohn Fellowship-Programm ist ein Geschenk des Bertelsmann-Vorstands
anlässlich des 80. Geburtstages von Reinhard Mohn. Der Vorstand hat jetzt
eine neue Förder-Runde genehmigt. Wie lange soll das Programm insgesamt
laufen?
Anette Bickmeyer: Da gibt es keine festgelegte
Laufzeit. Natürlich muss sich so ein Programm immer wieder neu legitimieren
− intern wie extern. Seit dem Start im Jahr 2002 hat sich das Fellowship
aber überaus erfolgreich entwickelt und daher wird es auch fortgesetzt. Ich
bin optimistisch, dass das Reinhard Mohn Fellowship auch in Zukunft eine
wichtige Institution zur Förderung von Social Entrepreneurs sein wird. |
AUSGABE 43
DIE ALLTÄGLICHE ELITE
STARTSEITE
EDITORIAL VON BJÖRN
BRÜCKERHOFF
IM SCHLARAFFENLAND DER ÄSTHETIK
WIE
PINGUINE AUF DEM LAND
PULITZERS ELITE
MOHNS ERBEN IM GEISTE
DIE
ELITE FÖRDERT IHRE KINDER
BILDUNGSEINRICHTUNGEN AUFMISCHEN
ZWISCHEN SPRACHEXIL UND HEADLINE
WO DER STUDENT ZUR ELITE
GEHÖRT
ELITE AUF BAYERISCH
DAS GESPENST DER ELITE
ALLE AUSGABEN IM ARCHIV
DIE GEGENWART IN STICHWORTEN
ÜBER DAS MAGAZIN
IMPRESSUM
|
Inwiefern lohnt sich das Programm für
Bertelsmann?
Bickmeyer:
Zunächst einmal ist das Reinhard Mohn Fellowship ein wichtiger Bestandteil
unseres Engagements im Bereich der Corporate Social Responsibility. Es
fördert Menschen, von denen die Welt möglichst viele braucht. Menschen, die
gesellschaftliche und soziale Missstände mit häufig unkonventionellen und
unternehmerischen Ansätzen begegnen. Diesen Menschen wollen wir eine
Plattform geben. Indem wir sie sichtbar machen, zeigen wir, dass wir ihre
Arbeit schätzen. Reinhard Mohns Wunsch ist es, dass die Unternehmenskultur
und Führungsphilosophie von Bertelsmann in andere gesellschaftliche Sektoren
getragen wird. Dieser Idee folgt das Reinhard Mohn Fellowship. Gleichzeitig
profitieren die Mitarbeiter in den Unternehmensbereichen, die mit den
Fellows an konkreten Geschäftspojekten arbeiten, von der frischen und häufig
unkonventionellen Art der Fellows. Wir profitieren also von ihrer
Kreativität und ihrem „unverstellten Blick“ auf die Dinge. Sie bringen neue
Ideen und ihre Erfahrungen aus anderen gesellschaft-lichen Sektoren in unsere
Arbeit bei Bertelsmann ein.
Sie suchen hochqualifizierte Führungspersönlichkeiten,
die Sie bei Bertelsmann sicher auch gut gebrauchen können. Wie viele Fellows
und ehemalige Fellows haben schon Interesse an einer Tätigkeit im Unternehmen
angemeldet? |
BEWERBUNG |
Das „Reinhard Mohn Fellowship“,
benannt nach dem Bertelsmann-Nachkriegsgründer, steht Bewerbern aus
aller Welt offen. Gesucht werden begabte und hochmotivierte Persönlichkeiten
aus Wirtschaft, öffentlichem Sektor, Non-Profit-Bereich, Wissenschaft,
Kultur, Sport oder dem sozialen Bereich, die ihre Ideen bereits erfolgreich
in einem eigenen Projekt umgesetzt haben und sich gemeinhin als „soziale
Unternehmer“ ("Social Entrepreneurs")
verstehen. Wichtig ist, dass diese Projekte einem innovativen Ansatz folgen
und einen erkennbaren Beitrag für die Gemeinschaft leisten.
Altersbegrenzungen oder formale Mindeststandards bei der Ausbildung gibt es
nicht.
Bewerbungen einschließlich Darstellung der bereits geleisteten Projektarbeit
können bis zum 1. August 2005
online oder postalisch (Bertelsmann AG,
Reinhard Mohn Fellowship, Postfach 111, 33311 Gütersloh) eingereicht werden.
Nach einer ersten Auswahlrunde wird Ende November 2005 eine Jury aus
Führungsmitgliedern der Bertelsmann AG und namhaften Persönlichkeiten
verschiedener gesellschaftlicher Bereiche den endgültigen Teilnehmerkreis
bestimmen. Den Jury-Vorsitz wird erneut Ricardo Díez
Hochleitner, der Ehrenpräsident des „Club
of Rome“, übernehmen. |
Bickmeyer: Ziel
des Programms ist es, die Fellows in die Lage zu versetzen, ihre selbst
initiierten Projekte − oder auch neue Projekte nach Ablauf des
Trainingsjahres bei Bertelsmann − mit noch mehr Erfolg und Führungskompetenz
vorantreiben zu können. Wir fördern Social Entrepreneurs, die in anderen
gesellschaftlichen Bereichen etwas verändern wollen. Die Fellows als auch
die Mentoren sind der Idee des Programms bisher immer verpflichtet gewesen.
Bislang hat kein Fellow um eine Festanstellung ersucht.
Woran liegt das?
Bickmeyer: Weil
das Reinhard Mohn Fellowship eine grundsätzlich andere Ausrichtung hat als
ein Nachwuchsprogramm für Bertelsmann-Führungskräfte.
Nachwuchskräften, die im Mediengeschäft bei Bertelsmann etwas bewegen
möchten, bieten wir andere attraktive
Einstiegsmöglichkeiten.
Warum profitiert die Bertelsmann AG
nur während der Zeit des Programms von den Kenntnissen und der
Katalysator-Wirkung der Fellows?
Bickmeyer: Es hat
sich gezeigt, dass die bei Bertelsmann umgesetzten Ideen der Fellows auch
über das einjährige Programm hinaus nachhaltige Wirkung entfalten. Ein
Beispiel: Ein Fellow aus dem ersten Jahrgang implementierte ein
Buchclub-Geschäft im frankophonen Afrika − und dies in Verbindung mit einem
Kulturzentrum und einer Bibliothek. Darüber hinaus gibt es das „Reinhard
Mohn Fellowship Network“, über das alle Finalisten der Auswahltagungen sowie
die ausgewählten Fellows in Kontakt bleiben und sich in verschiedener Weise
unterstützen. So können wir ihre Entwicklung und die ihrer Ideen und
Unternehmungen verfolgen und bleiben in Kontakt mit einer Führungselite, die
in anderen gesellschaftlichen Sektoren aktiv ist.
Wie würden sie damit umgehen, wenn ein
Fellow im Unternehmen bleiben wollte und dafür sein Projekt aufgeben müsste?
Bickmeyer: Wie
gesagt, dies ist noch nicht vorgekommen − wir suchen die Fellows nach ihrem
Potential aus, in den gesellschaftlichen Sektoren mit ihren Projekten
Veränderungen voranzutreiben. Meist existieren diese Projekte und
Organisationen noch und warten auf die Rückkehr der Fellows. Wir haben ein
großes Interesse daran, zu sehen, wie die Fellows später das bei uns
gelernte in ihren Projekten umsetzen.
Wie sieht das durchschnittliche Profil
der Bewerber aus?
Bickmeyer: Die
Bewerber sind eine sehr heterogene Gruppe von Menschen aus aller Welt − vom
Social Entrepreneur, wie wir ihn konkret suchen, über Menschen, die
eigentlich Fördergelder suchen, bis hin zu Menschen, die gern eine
Anstellung bei Bertelsmann finden würden. Wir suchen den kreativen
Unternehmer, der seine Energie in die Lösung gesellschaftlicher und sozialer
Probleme steckt. Sei es durch Initiativen oder durch Produkte, die
ungewöhnlich und hilfreich sind.
Wie würden sie die nötigen Kernkompetenzen der Bewerber beschreiben?
Bickmeyer: Die
Fellows sollten unternehmerische Intuition, Führungstalent, Kreativität,
Leistungswille, Flexibilität, Begeisterungsfähigkeit und den Wunsch, etwas
verändern zu wollen, mitbringen – und gerne auch eine Portion Humor! Dass er
oder sie über diese Qualitäten verfügt, sollte der Fellow in einem
beeindruckenden, bereits umgesetzten Vorhaben bereits bewiesen haben. Unsere
derzeitigen Fellows haben auf eigene Faust Projekte gegründet, um zum
Beispiel mit Weiterbildungsangeboten die Lebens- und Arbeitsbedingungen
mexikanischer Kaffeebauern zu verbessern oder um
Beschäftigungsmöglichkeiten für benachteiligte Jugendliche in Kalkutta zu
schaffen. Ein weiterer Fellow hat eine von Aborigenes geführte Stiftung
gegründet, in der sich die Ureinwohner Australiens mit Hilfe der
Privatwirtschaft und philanthropischer Vereinigungen für die Verbesserung
ihrer Lebensbedingungen einsetzen. Das sind gewaltige Herausforderungen, die
vor allem ein gehöriges unternehmerisches Talent erfordert, um sie zu
meistern.
Wie viele Bewerbungen erhalten sie auf die
vorhandenen Stellen?
Bickmeyer:
Wir wählen bis zu fünf Fellows pro Ausschreibung aus
und haben bisher jeweils zwischen 500 und 600 Bewerbungen aus aller Welt
erhalten.
Inwieweit sind die Fellows einer Elite
zuzurechnen?
Bickmeyer: Weil
sie sich Herausforderungen stellen, wo andere bereits aufgegeben haben. Weil
sie ungewöhnliche Wege gehen und Probleme als Herausforderungen betrachten.
Weil sie daran glauben, dass sie persönlich die Welt mitgestalten können –
und nicht darauf warten, dass andere dies für sie tun. Dabei verfolgen sie
stets einen konstruktiven Ansatz, leisten Hilfe zur Selbsthilfe, und dies
sowohl in Entwicklungs- wie auch in Industrieländern. Gleichzeitig haben sie
darauf zu achten, Hilfe von öffentlichen Organisationen oder Unternehmen
einzuholen, damit ihre Projekte am Leben bleiben. Kurzum: Eine
Leistungselite mit ausgeprägtem gesellschaftlichen
Verantwortungsbewusstsein.
Wie könnte eine Weiterentwicklung des
Programms aussehen?
Bickmeyer: Da
hätte ich einige Ideen − doch für die möchte ich erst einmal die
entscheidenden Kollegen bei Bertelsmann begeistern, bevor ich
sie und ihre
Leser begeistere. Ich bitte um ihr Verständnis! |