Weltgeschehen mit Schlagobers


Text:
Nikolai Wojtko     Bild: Photocase.com

Zeit im Bild, also ZIB, ist konzentrierter, moderner Nachrichtenjournalismus. Hier wird nicht nur über aktuelle Geschehnisse berichtet, sondern auch über Zukünftige.

Besonders schön ist das auf fünf Minuten runtergedampfte Format
ZIB am Morgen", es wird von neun Uhr bis fünf nach neun in unseren Breiten auf 3sat ausgestrahlt. Heuer wird ein Kamerateam auf die Ringstraße geschickt, damit der Zuschauer mit eigenen Augen sehen kann, wie Fahrzeuge abgeschleppt werden. Dazu gibt es dann zwei ausgesuchte Meinungen von Passanten, eine pro, eine contra, da kann man sich dann selbstständig zuordnen. Schön, dass man sich hier wahlweise auch als Tourist fühlen darf. Man kann sich der Meinung enthalten und einfach nur betrachten, welche Probleme die Nachbarn in Österreich so haben. Alles dreht sich um Wien und die Probleme der Menschen, die irgendwie auf dem politischen Parkett in Erscheinung treten. Eingetaucht ist das Ganze in einen leichten Dialekt, der alles wie in Schokoglasur verpackt erscheinen lässt. Selbst Wolfgang Schüssel wirkt auf diese Art wie der grantelig-distanzierte Kommentator seiner eigenen politischen Aktivitäten, die sich allein in dieser sprachlichen Selbstreferenz erschöpfen.

Man sitzt im Abseits, vor dem Fernseher und taucht ein in die österreichische Gefühlswelt. Man erkennt, dass hier Kultur, vor allem die in der Hauptstadt, nicht nur großgeschrieben, sondern auch sehr ernst genommen wird. Dieses Selbstverständnis erstreckt sich auch auf die große, also österreichische Politik. Diese definiert sich innerhalb dieses kleinen Nachrichtenmagazins vor allem in der Zuschreibung von Vorwürfen gegen den angeblichen politischen Gegner. Mit dem kann man aber, schließlich ist man ja zugleich auch Repräsentant der eigenen Kultur, jederzeit zusammenarbeiten, wenn’s denn dem eigenen Vorteil dienlich erscheint. So werden auch fundamentale Vorwürfe in ein Vokabular aus Zuckerwatte und schönen Fremdworten gepackt, ohne dass man die Stimme drohend erheben müsste. Auch hier zeigt sich der südliche Nachbar als Musterbeispiel für den hiesigen Politzirkus und so wie es scheint, hat bisher einzig und allein Angela Merkel von diesen heimlich gelernt. Welcher Kanzler wäre je in der Bundesrepublik so versöhnlich, wenn auch in der Sache konsequent aufgetreten wie die Kanzlerin? Schließlich ist in Zeiten der sich auflösenden politischen Fronten ein klug klingendes freundliches Wort wesentlich wirkungsvoller als ein barsches Basta!

Alfred Stamm, der unaufdringliche Moderator dieses Kleinods der Fernsehunterhaltung, verknüpft locker die lose zusammenhängenden Themenstränge, auch einen Schwenk auf das Internationale gibt es, in dem man aber vor allem von Unwettern aus dem ehemaligen KuK-Gebiet erfährt.

Doch all dies ist lediglich das unauffällige, aber zwingende Vorspiel für die einzig wirkliche Nachricht der Sendung: Während man schwitzend dem schwülheißen Sommerwetter Tribut zollt, bekommt man final mitgeteilt, dass alles bleibt, wie es ist, denn schließlich ist dies das Programm der Sendung. Lesen sie die abschließende Nachricht mit leichtem österreichischem Dialekt und schon befinden sie sich in der ZIB-Gefühlswelt: „Das Wetter ist schwül, heiß, gewittrig und so bleibt es auch.“

AUSGABE 49
GUTES FERNSE
HEN –
SCHLECHTES FERNSEHEN





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